Dem Angebot, man werde gezeigt bekommen, wo Gott wohne, sollte mit größtem Argwohn begegnet werden. Besonders in Verbindung mit den häufig beigefügten Adverbien schon und noch ist ein drohender Unterton nicht zu überhören.

Da bei theologischen Aussagen immer Vorsicht geboten ist, empfehlen sich je nach Empfänger unterschiedliche Formen der Rezeption. Der Gläubige wird sie entrüstet zurückweisen. Jemandem, der vorgibt, den Aufenthaltsort Gottes zu kennen, haftet entweder Großspurigkeit an oder Dummheit, wenn nicht gar Blasphemie. Er weiß: Gott wohnt nicht wie Hinz oder Kunz, er i s t. Den naiven, theologisch wenig Gebildeten kann der Gottesfürchtige den kindlichen Glauben an eine himmlische Wohnstatt, vielleicht gar in Wolken gehüllt und von musizierenden und jubilierenden Putten umschwärmt, naserümpfend nachsehen, doch als wirklich Gläubiger weiß er sich mit dem Göttlichen eins, ohne den Himmel auf die Erde zu holen. Für ihn ist Religion keine Frage der Geographie, sondern des Glaubens. Wo Gott wohnt, interessiert ihn nicht.
Von Korrekturversuchen des theologisch missverständlich formulierten Angebots ist dennoch abzuraten. Der missionarische Eifer könnte durchaus unerwünschte Reaktionen nach sich ziehen.
Nur scheinbar besser dran ist der Atheist. Er weiß natürlich, dass die Frage rein rhetorisch ist. Er fühlt sich aber nicht betroffen, da er nicht an Gott glaubt und daher die bloß hypothetische Annahme eines göttlichen Wohnortes als absurde Zumutung empfindet. Da der Umgang mit religiösen Eiferern nicht unkompliziert ist, sollte er allerdings vorsichtig sein und eine spöttische Zurückweisung unterlassen. Rhetorisch oder nicht, handfeste Argumente haben immer etwas Überzeugendes.
Auch der Agnostiker, der vorgibt, man könne gar nicht wissen, wo Gott wohne und schon gar nicht, ob man ihn da auch antreffe, sollte darauf achten, nicht als besserwisserischer Klugscheißer missverstanden zu werden.
In Wahrheit will der Erzürnte keinen theologischen Diskurs führen – wo Gott wohnt, weiß natürlich auch er nicht und es ist ihm vermutlich auch egal – sondern mit dem Verweis auf die höchste Autorität eine simple Drohung aussprechen.

Lassen wir die Kirche also im Dorf und reizen den Kerl nicht unnötig!

Text: Udo Fellner
Foto: Marek Piwnicki

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