Auch in republikanischen Zeiten hat der Bürger das Bedürfnis, über den Alltag exklusiver Zeitgenossen informiert zu werden.

Je luxuriöser sie leben, desto mehr interessiert uns, was sie treiben, wie sie wohnen, was sie essen, wie sie lieben, wie sie sterben. Unzählige bunte Blätter, Magazine und Fernsehsendungen sind unablässig bemüht, unsere Neugier zu stillen und uns Exklusivberichte und homestories ins Haus zu liefern. Wir entrüsten uns über ihre Skandale, belächeln ihre Schrulligkeiten, wundern uns über ihre Weltenferne und betrauern kollektiv ihre Schicksalsschläge. Ihre Verschwendungssucht empört uns, ihr Reichtum erweckt unsere Missgunst, ihre politische Machtlosigkeit beruhigt uns, sofern es sich um europäische Aristokraten handelt.
Eigentlich sind sie uns egal und dennoch erinnern uns Letztere auch an glanzvolle Zeiten, in denen Prunk und Pomp noch Belege für gottverliehene Macht waren, ein elendslanger Stammbaum für Dauerhaftigkeit stand.
Das alles fehlt unserer schnelllebigen Zeit, deren Codes Dynamik, Flexibilität und Geheimnislosigkeit heißen. Dem Durchschnittsbürger, dem bestenfalls noch die Großeltern bekannt sind, imponiert diese historische Tiefe.
Die Beliebtheit des Adels und besonders der regierenden Häuser scheint ungebrochen. Von ihrem geborgten Glanz leben Romane, Musicals und Schlosshotels, deren romantischem Zauber sich selbst eingefleischte Republikaner nicht entziehen können.
Trotz des medialen Großangriffs auf ihre Heimlichkeiten bleiben Fragen offen, die der Gesellschaft auf den Lippen brennen und sogar Eingang in den Sprichwortschatz gefunden haben.
Es sind Fragen nach den intimsten Angelegenheiten, die uns bewegen, Fragen, deren Antworten wir zwar zu kennen glauben, die wir unseresgleichen aber nie stellen würden, weil ihre Antwort enttäuschend banal wäre, Fragen, deren Antworten unser Leben zwar nicht ändern oder bereichern können, die uns nicht weiter bringen als bis zur nächsten Ausgabe eines weiteren Regenbogenblattes, die aber unser Bedürfnis nach dem Besonderen befriedigen, nach dem Ausnahmeereignis, das unser kleines Leben mit dem Widerschein des Außergewöhnlichen beleuchtet und ihm damit einen winzigen Glanz, ein Glänzchen verleiht.

Es sind Fragen wie diese: Wohin geht der Kaiser zu Fuß?
Abgesehen davon, dass Kaiser eine aussterbende Spezies sind und nur noch wenige für uns von Interesse sind – hier stehen sie als Synonym für den Aristokraten schlechthin – warum um alles in der Welt, ist das Wissen um diesen Ort von Belang?
Wir kennen die Tücke der Frage, wir wissen die Antwort und es bereitet offenbar Behagen, sie zu stellen.
Es ist die Rache des bürgerlichen Menschen, die sie uns immer wieder stellen lässt. Allem Prunk und Luxus, allen goldenen Kutschen und Rolls Royces zum Trotz gibt es diesen Ort, den wir alle nur zu Fuß erreichen. Egal wie komfortabel er auch ausgestattet ist, gekachelt und verspiegelt, mit Wasserspülung und Musik oder nur mit einem stinkenden Loch versehen, er dient allen Menschen für den gleichen Zweck. Ob wir uns unter Krämpfen oder problemlos erleichtern – hier ist die egalité wahrhaftig und revolutionär verwirklicht.

Hier ist auch der Kaiser nur Mensch und wir gönnen es ihm und uns von Herzen.

Text: Udo Fellner
Foto: rashid khreiss

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