In dunklen Zeiten, und das ist keineswegs nur metaphorisch zu verstehen, sehnen sich alle nach mehr Licht. Die rätselhafte immaterielle Energie hat über ihre physikalische und medizinische Bedeutung hinaus auch in der Sprache und im Zusammenleben der Menschen Wurzeln geschlagen

Gott sprach: „Es werde Licht!“
Und es ward Licht, und Gott sah, dass das Licht gut war. Und er schied das Licht von der Finsternis.
Soweit der Verfasser der biblischen Schöpfungsgeschichte, der nicht ahnen konnte, wohin dieser schöpferische Akt die Menschheit bringen würde.

„Es werde Licht!“, mögen auch die Aufklärer des 18.Jhdts. energisch gefordert haben und dabei weniger Be- als Erleuchtung im Sinn gehabt haben. Auch sie wollten das Licht von der Finsternis scheiden, das Licht der Erkenntnis von der Finsternis dumpfer Glaubenspein.

Das „Jahrhundert des Lichts“ brach an und berechtigte zu den schönsten Hoffnungen für die Zukunft der Menschheit, wird doch „Licht“ vom Beginn der abendländischen Philosophie an als Metapher für Erkenntnis, Klarheit und Wahrheit verstanden.

In diesem Kontext sind wohl auch Goethes angeblich letzte Worte „Mehr Licht!“ zu sehen.

Wie sehr die metaphorische Bedeutung von „Licht“ und seinen Ableitungen unseren Alltagswortschatz durchdringen, wird uns bei einer auch nur kleinen Rundschau bewusst: So stehen „Licht“ und „Leuchte“ auch für Intelligenz. „Staatsleuchten“ nannte Cicero berühmte Männer seiner Zeit, und noch der Theologe Johannes Mathesius, ein Zeitgenosse Luthers, bezeichnete seinen Wittenbacher Kollegen ehrerbietig als „Kirchenlicht“ – ein Ehrentitel, auf den heutige Zeitgenossen vermutlich weniger Wert legen würden.

Gleichfalls fragwürdig ist die Bezeichnung „Gelichter“ für Menschen, die – paradoxerweise – das „Tageslicht scheuen“, nachdem sie arglosere Mitmenschen „hinters Licht geführt“ haben. Hingegen erfreuen sich „Lichtspiele“ und der „Lichterbaum“ bei den meisten Menschen durchaus breiter Zustimmung, das „Lichtermeer“ hingegen nur bei jenen, die sich von kulturhistorisch und sozial „unterbelichteten Armleuchtern“ vorwiegend politischer Provenienz wohltuend abheben und damit zum „Lichtblick“ unserer Gesellschaft avancieren.

Aber natürlich kann man das Thema auch naturwissenschaftlich sachlich erörtern und etwa die geheimnisvolle immaterielle Beschaffenheit des Lichts erwähnen, seine faszinierende Wellenstruktur oder die sagenhafte Geschwindigkeit von 299 792 458 m/ Sekunde, was übrigens bereits seit 1678 überraschend genau bekannt ist.

„Es werde Licht!“, wird wohl auch Thomas Alva Edison der erstaunten Öffentlichkeit freudig mitgeteilt haben, als er am 27. Jänner 1880 das Patent für seine Glühlampe anmeldete und damit die Beleuchtungstechnik revolutionierte. Anders als der Weimarer Dichterfürst und die Denker der „philosophie de la lumière“ hatte der geniale Erfinder freilich mehr nach physischer als metaphysischer Erleuchtung gestrebt.

Immerhin gewinnen wir 80 Prozent unserer Sinneseindrücke über die Augen und eine Verlängerung des Tages durch künstliches Licht war neben den Pionieren der technischen Revolution sicher auch im Sinne der geistigen Elite, denen vorzugsweise beim einsamen nächtlichen Denken „ein Licht aufzugehen“ pflegt.

Edison wird aber wohl nicht im Traum daran gedacht haben, zu welchen kreativen Phantasien heutige Menschen bei der Anwendung seiner Erfindung fähig sind.

„Es werde Licht!“, jubeln die Stromerzeuger und verstärken ihre Bemühungen gerade in der Vorweihnachtszeit weit über das übliche Maß hinaus.

Und wie Licht wird!

„Ex occidente lux“ möchte man in Umkehrung des alten lateinisch-christlichen Spruches sagen – aus dem Westen kommt das Licht. Wurde einst die Erleuchtung (in der Gestalt Jesu) noch aus dem Osten erwartet, hat uns ausgehend von Amerika innerhalb weniger Jahre ein Lichttaumel erfasst, der nun auch bei uns mit kilometerlangen Lichterketten, -schläuchen und -vorhängen, illuminierten Weihnachtsmännern und Sternen, blinkenden Kerzen, Rentieren und Engeln für einen Beleuchtungsoverkill sorgt, der in Österreich in wenigen Wochen den Jahrestromverbauch von 15.000 Haushalten im Wert von unglaublichen 9 Mill. Euro verglüht. So hat man sich „Lichtermeere“ nicht vorgestellt.

Und die Stromgesellschaften sehen, dass ihre Strategie gut fürs Geschäft ist, denn es ist ihnen wahrhaftig gelungen, die Finsternis nachhaltig und dauerhaft zu beseitigen und nicht nur für die Entgleisung unseres Biorhythmus´ zu sorgen, sondern auch an der globalen Lichtverschmutzung tatkräftig mitzuwirken.
Nach dem mahnenden Verweis auf das Schicksal des „Lichtträgers vulgoLuzifer“, dessen Anmaßung ihn ins Höllenfeuer stürzen ließ, mögen am Ende die letzten Worte des 25. US-Präsidenten Theodor Roosevelt als versöhnlicher Appell an eine vernünftige Mäßigung stehen: „Machen Sie bitte das Licht aus!“

Text: Udo Fellner
Foto: Kari Shea

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