Dieser ominöse Ort beschäftigt in der Tat unsere Phantasie mehr als wir glauben. Man spricht von ihm, liest von ihm, jeder hat schon einmal von ihm gehört. Dennoch weiß ihn kaum jemand zu lokalisieren. Die ihn kennen, hüten sich, seine Lage preiszugeben – zu beschämend sind oft die Umstände seiner Entstehung, und so hat er nach und nach einen geheimnisvollen, ja mystischen Nimbus erworben.
Was das Auffinden dieses Platzes ungemein erschwert, ist das Fehlen jeglicher Hinweise. Kein Wegweiser, keine Markierung, kein Koordinatensystem leiten den Suchenden. Es gibt weder Auskunft noch Informationen, keine gesicherten Wege, noch Verkehrsmittel. Sogar die bloße Existenz scheint fraglich.
Geradezu deprimierend ist weiters die Erkenntnis, dass es sich keineswegs um einen einzelnen, sondern um viele, ja zahllose Orte handelt, und es sind die hässlichsten und abstoßendsten Plätze der Welt. Kein Wunder, wenn dort niemand sucht. Nichts dort weckt den Wunsch nach näherer Erkundung. Es sind öde, abweisende Stätten – und doch liegen sie mitten unter uns und innerhalb unseres Gesichtskreises.
Man findet sie eigentlich nur durch Zufall. Freilich muss man den Hund auch finden wollen.
Je nach seiner Größe entsteigt dem Ort ein unangenehmer, verstörender Geruch, der an Aas oder modrige Kellergewölbe erinnert.
Was hier vergraben ist, kommt selten ans Licht. Manche Gräber sind unkenntlich mit ihrer Umgebung verschmolzen. Nur ein geschultes oder wissendes Auge kann sie erkennen.
Andere wiederum sind so plump versteckt, dass viel Dummheit von Nöten ist, sie nicht zu entdecken. Oder die Dreistigkeit begnadeter Gauner, begabter Bankrotteure oder skrupelloser Politiker.
Doch auch die durchschnittlichen Chargen bringen ganze Hundemeuten unter die Erde. Überall kann man auf ihre stinkenden Kadaver stoßen: in den Amtsstuben der Behörden wie in den Sakristeien der Kirchen. Sie verschimmeln in den Tresoren der Banken und verfaulen unter den Misthaufen der Landwirte. Sie modern in den Schränken ehrbarer Bürger ebenso wie unter den Laken frommer Betschwestern, und zu Recht dürfen wir sie auch in den Schulstuben, Werkstätten und Weinkellern vermuten. Und was der Wirt unter seiner Schank verbirgt, wird vielleicht auch nie das Tageslicht sehen.
Entsetzt findet sich der Reisende inmitten einer riesigen Nekropole, aus deren heimlichen Kavernen ein klägliches Winseln aufsteigt von all den verlorenen und abgelegten Hunden dieser Welt.
Mit Grausen flieht der Reisende schließlich von diesem traurigen Ort. Wir Ansässigen gehen vorsichtig und argwöhnisch unserer Wege, wer weiß schon, worüber man arglos stolpert.
Text: Udo Fellner
Foto: Tim Hüfner