„Heuer“, sagte Oskar, „heuer, Liebling, schenken wir einander zu Weihnachten einmal nichts. Erstens haben wir alles, was wir brauchen und zweitens muss man seine Zuneigung nicht durch Geschenke unter Beweis stellen.“
„Mhm“, meinte seine Frau, „ist gut. Wenn du meinst.“ Oskar verstand´s als Einverständnis.
Das war Anfang November.

Erst hielten sich beide an die Abmachung, doch als Oskar drei Wochen vor dem Heiligen Abend seine Frau dabei beobachtete, wie sie ein großes Paket heimlich in der Garage hinter altem Gerümpel verstecken wollte, wurde er misstrauisch. Ganz offensichtlich hatte sie vor, ihr Versprechen nicht einzuhalten.
Er war verärgert, andererseits aber auch wieder gerührt. „Schau an“, schmunzelte er, „sie will mich überraschen. Mein Gott, muss mich diese Frau lieben!“
Schon am nächsten Tag erstand Oskar beim Juwelier die wunderschöne Perlenkette, die seine Frau erst unlängst so bewundert hatte. Die Verkäuferin verpackte die Kette in goldglänzendes Papier und Oskar deponierte das Päckchen in seinem Schreibtisch.
Die nächsten Tage waren mit geschäftigem Treiben ausgefüllt, wie es vor Weihnachten üblich ist. Oskar ertappte seine Frau mit weiteren Päckchen, die sie im Wäscheschrank verbarg.
Er kaufte die sündteure Wäschegarnitur aus rotem Satin, die ihr schon so manchen sehnsüchtigen Seufzer entlockt hatte, wie er wusste. In rotes glitzerndes Papier verpackt landete sie ebenfalls im Schreibtisch.
Die letzten Tage vor dem Fest verliefen ziemlich turbulent. Es wurde gebacken, geputzt und gewaschen. Das Haus musste glänzen. So wollte sie es. Oskar fühlte sich etwas deplatziert, war brummig und erhielt deshalb den Auftrag, den Weihnachtsbaum zu besorgen. Als er mit einem hübschen Bäumchen zurückkam, huschte seine Frau mit einem weiteren Paket ins Schlafzimmer und raschelte verschwörerisch im Kasten.
Oskar geriet in Panik. Was hatte diese Frau vor? Wollte sie ihn etwa mit ihrer Geschenkeflut beschämen?
Das sollte ihr nicht gelingen.
Noch am Heiligen Abend fuhr er unter dem Vorwand, neue Kerzen zu besorgen, in die Stadt und erstand im größten Modegeschäft das elegante grünseidene Kleid, das sie unlängst probiert, aber dann doch nicht gekauft hatte, weil es ihr zu teuer war. Es hatte ihr wie angegossen gepasst und wundervoll mit ihrem rötlichen Haar harmoniert.
„Sie wird uns ruinieren“, dachte er besorgt, als er auf dem Heimweg in der Bank seinen Kontostand abrief.
Die Schachtel in grün-changierendem Papier mit der riesigen rotgoldenen Schleife, in die die nette Verkäuferin das Kleid verpackt hatte, verschwand im Kasten hinter seinen Anzügen.
Dann setzte er das Schmücken des Christbaums fort. Am Nachmittag gönnte er sich ein wenig Ruhe, der Abend würde noch lange genug sein. Was sie ihm wohl geschenkt haben mochte? Am Ende die fabelhafte Strickweste aus dunkelblauem Kaschmir, die ihm so gut gefiel? Oder die tolle Uhr, von der er ihr einmal begeistert einen Prospekt gezeigt hatte. Das kleine Päckchen, das sie im Wäscheschrank versteckt hatte, mochte die passende Größe und Form haben. Was aber befand sich in dem dritten Paket?
Doch wohl nicht diese unglaubliche Bohrmaschine mit der sagenhaften Leistung, die er unlängst im Baumarkt probeweise in Händen gehalten hatte! Sie hatte ihn anschließend aufgefordert, sich doch im Haus ruhig öfter nützlich zu machen, es gäbe genug zu reparieren und er hatte scherzhaft gemeint, dazu brauche er aber erst mal ordentliches Werkzeug. Aber, mein Gott, das war doch nicht ernst gemeint.
Während er sich ausruhte, rumorte sie im Arbeitszimmer, das zu betreten sie ihm streng verboten hatte.

Schließlich wurde es dunkel.
Vorsorglich hatte er zwei Flaschen Wein eingekühlt, den Tisch festlich gedeckt und sich sorgfältig für das Fest hergerichtet. Frisch rasiert und gekleidet erwartete er seine Frau, die sich ebenfalls zurecht machte. Während sie noch im Badezimmer hantierte, hatte er seine Geschenke liebevoll unter dem Christbaum arrangiert. Hinter dem Sofa entdeckte er ihre Pakete.
Er freute sich auf ihren überraschten Gesichtsausdruck, wenn sie – völlig unerwartet – seine Geschenke sehen würde.
Dann entzündete er die Kerzen.

Zärtlich drückte er sie an sich, während er ihr innig „Frohe Weihnachten“ wünschte. Sie dankte ihm etwas verwirrt, wie ihm schien, und starrte überrascht auf die Päckchen.
„So viele Geschenke!“, hauchte sie.
„Du dachtest wohl, du könntest mich überlisten!“, lachte Oskar und überreichte ihr seine Pakete.
„Das ist alles für mich?“ Sie schien es nicht zu fassen.
„Natürlich, Liebling! Meinst du, ich hätte nichts von deinen Heimlichkeiten gemerkt?“ Er drohte ihr scherzhaft mit dem Finger: „Du hast dich nicht an unsere Abmachung gehalten. Aber nun pack schon aus!“
Zaghaft erst, dann immer rascher öffnete sie die Pakete, von einem zum anderen mehr entzückt. Er drängte sie das Kleid zu probieren und legte ihr die Kette um. Sie drehte und wendete sich vor dem Spiegel und freute und wunderte sich in einem fort.
Er freute sich mit ihr und schließlich fragte er sie verschmitzt: „Und was ist nun mit den anderen Päckchen?“
Schlagartig erschlaffte sie.
„Ach die…“, kam es gedehnt zurück.
„Willst du sie mir nicht geben?“ Oskar umfasste sie und schaute sie treuherzig an.
„Ich glaube nicht, dass du damit Freude haben wirst“, flüsterte sie und ließ den Kopf hängen.
„Was hast du denn Schönes für mich?“ Er nahm das größte Paket, es fühlte sich weich an. „Die Kaschmirweste, den Seidensweater oder den tollen Bademantel?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Und das da“, er hatte das kleine Päckchen genommen, „ist nicht vielleicht zufällig die Uhr – du weißt schon.“
Wiederum Kopfschütteln.
Er zeigte auf das dritte Paket hinter dem Sofa.
„Wenn das das ist, was ich mir denke,…“. Er sprach nicht weiter.
Verzweifeltes Kopfschütteln und einzelne Tränen.
„He, was ist los?“. Er nahm sie in die Arme.
Sie zitterte am ganzen Körper und schluchzte heftig und nässte sein frisches Hemd und ihr wunderschönes Kleid mit dicken Tränen.
In düsterer Ahnung riss er die Verpackungen auf, das schöne Papier, die bunten Bänder und Maschen flogen zur Seite.
Der Deckel der großen Schachtel flog hinterher, er entriss ihr etwas Flauschiges in Lila, es interessierte ihn nicht mehr. Das kleine Päckchen enthielt eine zarte, wie es schien goldene Uhr, jedenfalls aber keine, die er tragen würde. Achtlos fiel sie auf den Teppich. Das dritte Paket enthielt die schwarzen hochhackigen Raulederstiefel, von denen sie ihm beim letzten Einkaufsbummel so wortreich vorgeschwärmt hatte. Was sollte er damit? Suchend sah er sich um.
„Und wo sind meine . ..?“ Seine Stimme klang belegt.
„Aber du hast doch gesagt“, eine neue Welle herzzerreißender Schluchzer erschütterte sie, „du hast doch gesagt, wir wollen heuer einander nichts schenken!“ „Und ich“, ihr Bemühen, ihn zu besänftigen war unüberhörbar, „ich habe mich daran gehalten und mir deshalb selbst Geschenke gemacht.“ Mit tränennassem Blick schaute sie ihn an.
„Frohe Weihnachten wünsche ich dir“, sagte sie leise und bekümmert.

Oskar stand wie ein begossener Pudel da, mitten in einem Haufen Weihnachtspapier, in der Hand noch ihre Stiefel.
Dann, nach einer Weile, brummte er: „Wünsch ich dir auch!“ und „Nächstes Jahr gibt es wieder Geschenke.“

Als sie später beim Lachs saßen, waren sie wieder durchaus vergnügt. „In diesem Kleid und mit der schimmernden Perlenkette sieht sie ja wirklich hinreißend aus“, dachte er und freute sich schon, wenn sie später, viel später die neue Wäschegarnitur anprobieren würde.

Text & Illustration: Udo Fellner
Foto: JESHOOTS.COM

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